Weshalb das Überbinden von vertraglichen Risiken an Anbieter für die öffentliche Hand nicht «gratis» ist
Weshalb das Überbinden von vertraglichen Risiken an Anbieter für die öffentliche Hand nicht «gratis» ist
03. Oktober 2024
03. Oktober 2024
Das Prinzip der öffentlichen Ausschreibung verleitet Vergabestellen oft dazu, in den allgemeinen Bedingungen oder Vertragsvorlagen die vertraglichen Risiken unausgewogen an die Anbieterinnen auszulagern. Dies führt aber i.d.R. zu höheren Preisen, was mit dem Prinzip der nachhaltigen und wirtschaftlichen Beschaffung im Widerspruch steht.
Gehäuft finden sich in öffentlichen Ausschreibung Formulierungen, welche vertragliche Risiken (wie etwa Teuerung, Kostensteigerungen, Verzögerungen aber auch Verfügbarkeiten und Lieferverpflichtungen, etc.) den Anbietern überbinden wollen.
Als fiktives Beispiel kann die Ausschreibung eines mehrjährigen Rahmenvertrages genannt werden, in welchem eine weitgehende kurzfristige Leistungs- bzw. Lieferbereitschaft von den Anbietern verlangt wird, gleichzeitig aber die Vergabestelle beim Abruf und Bezug der Leistungen weder an zeitliche noch mengenmässige Abnahmepflichten gebunden sein will. Dies verbunden mit Konventionalstrafen bei Schlecht- oder Späterfüllung und einem Ausschluss eines Anspruchs auf Preisanpassungen aufgrund Teuerung oder gestiegenen Materialpreisen während der gesamten Vertragslaufzeit.
Dass solche einseitig formulierten Bedingungen u.U. missbräuchlich sein können, wurde in diesem Blog bereits thematisiert. Im vorliegenden Beitrag soll aufgezeigt werden, dass diese Praxis sich auch nicht mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Beschaffung nach Art. 2 IVöB vereinbaren lässt.
Die Gründe für die festzustellende Tendenz, im Rahmen der Ausschreibung im Vertragsmuster oder den allgemeinen Bedingungen möglichst viele Risiken den Anbietern überbinden zu wollen, liegen oft in einer falsch verstandenen Risikogewichtung der bei der Vergabestellen für die Redaktion der entsprechenden Verträge zuständigen Personen und auch deren (Rechts-)Berater.
Das Prinzip eines Ausschreibungsverfahrens, dass die Vergabestelle die entsprechenden vertraglichen Grundlagen vorgeben kann, kann durchaus dazu verlocken, möglichst viele Risiken so weit möglich (und vertraglich ist vieles möglich) der Anbieterin zu überbinden. So will man sich Seitens Vergabestelle oder deren Berater bei allfälligem Eintritt des Risikos nicht dem Vorwurf aussetzen, dies bei der Formulierung der Vertragsbedingungen nicht zu Gunsten der Vergabestelle berücksichtigt zu haben.
Dabei wird aber Folgendes oft vergessen: Solche Risikoüberbindungen sind nicht gratis. Wenn etwa im gemachten Beispiel in einem länger dauernden Liefervertrag die Vergabestelle eine Anpassung an die Teuerung vertraglich ausschliesst, so müssen die (zumindest die sorgfältig kalkulierenden) Anbieterinnen das Risiko der Preissteigerungen in die zu offerierenden Einheitspreise von Beginn an einpreisen. Somit bieten die Anbieterinnen nicht Preise an, welche nach den heute aktuellen Kosten für sie noch wirtschaftlich tragbar bzw. gewinnbringend sind, sondern kalkulieren das Risiko von allfälligen künftigen Preisänderungen ab Datum der ersten Lieferung mit ein.
Wie und wie stark Anbieterinnen diese Risiken einpreisen, liegt in ihrer unternehmerischer Freiheit. Eine sorgfältig kalkulierende Anbieterin wird aber gerade bei grösseren Auftragsvolumen solche einseitigen oder grossen Risikoüberbindungen wesentlich in ihr Angebot einkalkulieren müssen, ansonsten sie Gefahr läuft, nicht tragbare Verluste zu erwirtschaften. Eine einzelne Anbieterin kann solche Risiken zudem auch weitaus weniger gut ausgleichen, als die öffentliche Hand. Gerade eine kleinere Anbieterin kann es sich schlichtweg nicht leisten, die Risiken der Steigerung der Material- und Lohnkosten über die nächsten 5 Jahre in ihrem Preisangebot nicht einzukalkulieren. Denn tut sie dies nicht, kann bereits ein einzelner Auftrag, in welchem sich diese Risiken verwirklichen, existenzbedrohend sein.
Werden die Risiken von den Anbieterinnen angemessen einkalkuliert, führt dies aber dazu, dass die öffentliche Hand ab Tag eins des Vertrages einen viel zu hohen Preis zahlt, unabhängig davon, ob und ab wann eine allfällige Teuerung überhaupt eintritt. Faktisch zahlt somit die Vergabestelle in jedem Fall einen erhöhten Preis. Würde jedoch im Vertrag eine jährliche indexierte Anpassung an die Materialkosten oder sonstigen Index vereinbart bzw. der Anbieterin zugestanden, kann diese einen Preis anbieten, welcher diese Risiken nicht einkalkulieren muss. Die Vergabestelle zahlt in seinem solchen Fall allfällige Preissteigerungen bei den Materialien oder Teuerung nur dann, wenn diese effektiv anfallen und auch nur im entsprechenden Umfang.
Dieses (vereinfachte) Beispiel soll zeigen, dass die Schlussfolgerung, in einem Vergabeverfahren vertraglich möglichst alle Risiken an die Anbieterinnen auslagern zu wollen, im Endergebnis zu einer unnötigen und damit den Grundsätzen von Art. 2 IVöB/BöB widersprechenden Erhöhung der Kosten führt.
Natürlich macht es Sinn, dass eine Vergabestelle in den allgemeinen Vertragsbedingungen oder einem Mustervertrag die wesentlichen Eckpunkte der vertraglichen Zusammenarbeit mit der Ausschreibung vorgibt. Die Haltung, in diesen jedoch möglichst alle Risiken wie Verzögerungen, Kostensteigerungen aber auch in Bezug auf Mengen und Abnahmepflichten den Anbietern überbinden zu wollen, sollte jedoch überdacht werden. Denn dies kann nicht nur dazu führen, dass Anbieterinnen ganz auf eine Teilnahme verzichten und auf die Ausschreibung nur wenig oder gar keine Angebote eingehen, sondern dass sich die noch eingereichten Angebote, unnötige verteuern. Das oft zitierte Prinzip « here ain’t no such thing as a free lunch» gilt auch hier.
Vertragliche Risiken in Bezug auf Kosten, Termine, aber auch Mengen sind angemessen zu verteilen. Vergabestellen sind gut beraten, bei der Erstellung des Vertragswerkes und der Bedingungen der Ausschreibung sich dies in Erinnerung zu rufen. Nur weil man als Vergabestelle im Ausschreibungsprozess in der Lage ist, die vertraglichen Bedingungen vorzuschreiben, heisst das nicht, dass man diese einseitig ausgestalten sollte. Im Gegenteil: Denn anders als im normalen Geschäftsverkehr kann eine Verhandlung über den Vertrag in Beschaffungsverfahren meist nur sehr eingeschränkt stattfinden. Entsprechend fehlt das Korrektiv der Vertragsverhandlung. Der Ausgewogenheit der Vertragsbedingungen ist entsprechend gerade bei öffentlichen Beschaffungen ein besonderes Augenmerk zu schenken. Die Überbindung von Preis-, Termin- und anderen Risiken hat immer auch ein Auswirkung auf die Preise, was im Lichte von Art. 2 IVöB/BöB im Auge zu behalten ist.
Das Prinzip der öffentlichen Ausschreibung verleitet Vergabestellen oft dazu, in den allgemeinen Bedingungen oder Vertragsvorlagen die vertraglichen Risiken unausgewogen an die Anbieterinnen auszulagern. Dies führt aber i.d.R. zu höheren Preisen, was mit dem Prinzip der nachhaltigen und wirtschaftlichen Beschaffung im Widerspruch steht.
Gehäuft finden sich in öffentlichen Ausschreibung Formulierungen, welche vertragliche Risiken (wie etwa Teuerung, Kostensteigerungen, Verzögerungen aber auch Verfügbarkeiten und Lieferverpflichtungen, etc.) den Anbietern überbinden wollen.
Als fiktives Beispiel kann die Ausschreibung eines mehrjährigen Rahmenvertrages genannt werden, in welchem eine weitgehende kurzfristige Leistungs- bzw. Lieferbereitschaft von den Anbietern verlangt wird, gleichzeitig aber die Vergabestelle beim Abruf und Bezug der Leistungen weder an zeitliche noch mengenmässige Abnahmepflichten gebunden sein will. Dies verbunden mit Konventionalstrafen bei Schlecht- oder Späterfüllung und einem Ausschluss eines Anspruchs auf Preisanpassungen aufgrund Teuerung oder gestiegenen Materialpreisen während der gesamten Vertragslaufzeit.
Dass solche einseitig formulierten Bedingungen u.U. missbräuchlich sein können, wurde in diesem Blog bereits thematisiert. Im vorliegenden Beitrag soll aufgezeigt werden, dass diese Praxis sich auch nicht mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Beschaffung nach Art. 2 IVöB vereinbaren lässt.
Die Gründe für die festzustellende Tendenz, im Rahmen der Ausschreibung im Vertragsmuster oder den allgemeinen Bedingungen möglichst viele Risiken den Anbietern überbinden zu wollen, liegen oft in einer falsch verstandenen Risikogewichtung der bei der Vergabestellen für die Redaktion der entsprechenden Verträge zuständigen Personen und auch deren (Rechts-)Berater.
Das Prinzip eines Ausschreibungsverfahrens, dass die Vergabestelle die entsprechenden vertraglichen Grundlagen vorgeben kann, kann durchaus dazu verlocken, möglichst viele Risiken so weit möglich (und vertraglich ist vieles möglich) der Anbieterin zu überbinden. So will man sich Seitens Vergabestelle oder deren Berater bei allfälligem Eintritt des Risikos nicht dem Vorwurf aussetzen, dies bei der Formulierung der Vertragsbedingungen nicht zu Gunsten der Vergabestelle berücksichtigt zu haben.
Dabei wird aber Folgendes oft vergessen: Solche Risikoüberbindungen sind nicht gratis. Wenn etwa im gemachten Beispiel in einem länger dauernden Liefervertrag die Vergabestelle eine Anpassung an die Teuerung vertraglich ausschliesst, so müssen die (zumindest die sorgfältig kalkulierenden) Anbieterinnen das Risiko der Preissteigerungen in die zu offerierenden Einheitspreise von Beginn an einpreisen. Somit bieten die Anbieterinnen nicht Preise an, welche nach den heute aktuellen Kosten für sie noch wirtschaftlich tragbar bzw. gewinnbringend sind, sondern kalkulieren das Risiko von allfälligen künftigen Preisänderungen ab Datum der ersten Lieferung mit ein.
Wie und wie stark Anbieterinnen diese Risiken einpreisen, liegt in ihrer unternehmerischer Freiheit. Eine sorgfältig kalkulierende Anbieterin wird aber gerade bei grösseren Auftragsvolumen solche einseitigen oder grossen Risikoüberbindungen wesentlich in ihr Angebot einkalkulieren müssen, ansonsten sie Gefahr läuft, nicht tragbare Verluste zu erwirtschaften. Eine einzelne Anbieterin kann solche Risiken zudem auch weitaus weniger gut ausgleichen, als die öffentliche Hand. Gerade eine kleinere Anbieterin kann es sich schlichtweg nicht leisten, die Risiken der Steigerung der Material- und Lohnkosten über die nächsten 5 Jahre in ihrem Preisangebot nicht einzukalkulieren. Denn tut sie dies nicht, kann bereits ein einzelner Auftrag, in welchem sich diese Risiken verwirklichen, existenzbedrohend sein.
Werden die Risiken von den Anbieterinnen angemessen einkalkuliert, führt dies aber dazu, dass die öffentliche Hand ab Tag eins des Vertrages einen viel zu hohen Preis zahlt, unabhängig davon, ob und ab wann eine allfällige Teuerung überhaupt eintritt. Faktisch zahlt somit die Vergabestelle in jedem Fall einen erhöhten Preis. Würde jedoch im Vertrag eine jährliche indexierte Anpassung an die Materialkosten oder sonstigen Index vereinbart bzw. der Anbieterin zugestanden, kann diese einen Preis anbieten, welcher diese Risiken nicht einkalkulieren muss. Die Vergabestelle zahlt in seinem solchen Fall allfällige Preissteigerungen bei den Materialien oder Teuerung nur dann, wenn diese effektiv anfallen und auch nur im entsprechenden Umfang.
Dieses (vereinfachte) Beispiel soll zeigen, dass die Schlussfolgerung, in einem Vergabeverfahren vertraglich möglichst alle Risiken an die Anbieterinnen auslagern zu wollen, im Endergebnis zu einer unnötigen und damit den Grundsätzen von Art. 2 IVöB/BöB widersprechenden Erhöhung der Kosten führt.
Natürlich macht es Sinn, dass eine Vergabestelle in den allgemeinen Vertragsbedingungen oder einem Mustervertrag die wesentlichen Eckpunkte der vertraglichen Zusammenarbeit mit der Ausschreibung vorgibt. Die Haltung, in diesen jedoch möglichst alle Risiken wie Verzögerungen, Kostensteigerungen aber auch in Bezug auf Mengen und Abnahmepflichten den Anbietern überbinden zu wollen, sollte jedoch überdacht werden. Denn dies kann nicht nur dazu führen, dass Anbieterinnen ganz auf eine Teilnahme verzichten und auf die Ausschreibung nur wenig oder gar keine Angebote eingehen, sondern dass sich die noch eingereichten Angebote, unnötige verteuern. Das oft zitierte Prinzip « here ain’t no such thing as a free lunch» gilt auch hier.
Vertragliche Risiken in Bezug auf Kosten, Termine, aber auch Mengen sind angemessen zu verteilen. Vergabestellen sind gut beraten, bei der Erstellung des Vertragswerkes und der Bedingungen der Ausschreibung sich dies in Erinnerung zu rufen. Nur weil man als Vergabestelle im Ausschreibungsprozess in der Lage ist, die vertraglichen Bedingungen vorzuschreiben, heisst das nicht, dass man diese einseitig ausgestalten sollte. Im Gegenteil: Denn anders als im normalen Geschäftsverkehr kann eine Verhandlung über den Vertrag in Beschaffungsverfahren meist nur sehr eingeschränkt stattfinden. Entsprechend fehlt das Korrektiv der Vertragsverhandlung. Der Ausgewogenheit der Vertragsbedingungen ist entsprechend gerade bei öffentlichen Beschaffungen ein besonderes Augenmerk zu schenken. Die Überbindung von Preis-, Termin- und anderen Risiken hat immer auch ein Auswirkung auf die Preise, was im Lichte von Art. 2 IVöB/BöB im Auge zu behalten ist.