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Mehr Mut bei der Schaffung neuer Zuschlagskriterien !

Mehr Mut bei der Schaffung neuer Zuschlagskriterien !

15. Februar 2021

15. Februar 2021

Eine neue Vergabekultur (oft auch als Paradigmenwechsel bezeichnet) benötigt auch ein Umdenken bei den Zuschlagskriterien


Im Zuge der Beschaffungsgesetzrevision sind die «neuen» Zuschlagskriterien in aller Munde. Das Gesetz gibt zwar schlagwortartig Ideen, die Kriterien können aber – um eine gute und auch begründbare Bewertung vornehmen zu können – nicht einfach aus dem Gesetz abgeschrieben werden.  Wollen Vergabestellen von den allseits kritisierten «Alibi» -Zuschlagskriterien wie «Termine», «Referenzen» etc. wegkommen, braucht es neben Kreativität auch eine gewisse Portion Mut.  Mut etwas auszuprobieren und auch mal die rechtlichen Grenzen zu testen.

Die Möglichkeiten sind gross

Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung lassen den Vergabestellen dabei einen grossen Spielraum. Trotzdem haben viele Vergabestellen bzw. die mit der Ausschreibung befassten Personen Angst, bei der Wahl und Definition der Kriterien und der nachfolgenden Bewertung, etwas falsch zu machen, d.h. eine Beschwerde zu kassieren. Entsprechend verzichten sie oft darauf, den Spielraum auszuschöpfen und behelfen sich mit der Verwendung allgemeiner Standardkriterien. Dies müsste nicht sein:

Gerichtlich geschütztes Ermessen

Denn Gerichtsentscheide, mit welchen Ausschreibungen oder Zuschläge aufgrund falsch gewählter Zuschlagskriterien aufgehoben werden, sind äusserst selten. Wenn Gerichte einen Zuschlag aufheben, dann meist wegen Verfahrensfehler, Intransparenz oder Ungleichbehandlung der Anbieter. Den Vergabestellen steht zu Recht bei der Wahl aber auch der Bewertung der inhaltlichen Zuschlagskriterien ein grosses Ermessen zu.  Dieses Ermessen kann in Zukunft durchaus besser genutzt werden. Oft ist aber auch nicht (nur) die Befürchtung, etwas falsch zu machen, sondern schlichtweg die fehlende Zeit oder Idee der Grund dafür, dass schlussendlich trotzdem die Standardkriterien verwendet werden. Die Schaffung «auftragsspezifischer» Zuschlagskriterien ist zugegebener Massen auch nicht einfach. Denn es bedingt, dass sich die Vergabestelle mit dem konkreten Beschaffungsgegenstand intensiv auseinandersetzt. Nachfolgende Überlegungen können dabei helfen:

In drei Schritten zum auftragsspezifischen Zuschlagskriterium:

  • Als erster Schritt ist folgender Gedanke hilfreich: Nach welchen Kriterien würde ich den Anbieter auswählen, wenn ich selber meinen Wunschanbieter suchen bzw. «erschaffen» könnte? So kann man eine Liste erstellen, welche Aspekte, Fähigkeiten und Schwerpunkte man als Vergabestelle für die Auftragserfüllung wichtig erachtet. Frage: «Auf welche Kriterien würde man acht geben, wenn man selber im Markt nach freier Wahl einkaufen könnte. »
  • In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, wie man diese notierten Kriterien und Aspekte im Ausschreibungsverfahren prüfen kann. Diesbezüglich ist zu beachten, dass das Gesetz den Nachweis nicht auf Papierunterlagen beschränkt. Zulässig und oft sachdienlich(er) sind auch Produktetest, Demos, aber auch Präsentationen und Interviews. Solche Instrumente sind durchaus erlaubt, sofern – und das ist wichtig – deren Inhalt (und nicht nur die Form) bewertet wird und ein sachlicher Zusammenhang zum geprüften Aspekt besteht.
  • Und damit ist man beim dritten Schritt. Die kreativsten Kriterien nützten nichts, wenn nicht bereits vorgängig abgeklärt und definiert und in der Ausschreibung auch bekannt gegeben wird, was von den Anbietern in den betreffenden Kriterien verlangt wird. Ebenso ist anzugeben, welche Unter-Kriterien und Parameter bewertet werden. Dies sorgt nicht nur für Transparenz, sondern ist ein Kontrollinstrument für die Vergabestelle, um zu prüfen, ob mit den verlangten Nachweisen effektiv die unter Schritt 1 definierten Anforderungen geprüft werden können. Zudem erleichtert es dann auch die Bewertung, wenn bereits definiert ist, welche Aspekte etwa bei einer Auftragsanalyse bewertet werden.

Apropos Kontrolle: Hilfreich ist, bereits bei der Erstellung der Ausschreibung eine Bewertungsmatrix zu machen und die Bewertung mal durchzuspielen. So entdeckt man Fehler oder Wiedersprüche in den Kriterien. Ebenfalls sollten die Ausschreibung und die Bewertungskriterien aus der «fiktiven» Sicht des Anbieters überprüft werden: Ist für einen Anbieter klar was gefordert wird? wie würde man selber offerieren? usw…

Diese Schritte können helfen, kreative und spezifische Zuschlagskriterien zu definieren. Oft beschreitet eine Vergabestelle dabei Neuland. Dabei werden sich nicht alle neuen Ideen und Kriterien rückblickend als tauglich erweisen. Doch wenn man dem Ziel, das vorteilhafteste Angebot effektiv ermitteln zu können, näherkommen will, wird es unumgänglich sein, dabei neue Wege zu gehen und die fachlichen wie rechtlichen Grenzen auch mal auszuloten. Ansonsten sich bei den neuen Zuschlagskriterien auch keine verlässliche Rechtsprechung herausbilden kann. Dass es dabei auch mal zu Fehler kommen kann, ist Teil dieses Weges und zu akzeptieren.

Frei nach dem Motto, wer nichts wagt, der nichts gewinnt.

Eine neue Vergabekultur (oft auch als Paradigmenwechsel bezeichnet) benötigt auch ein Umdenken bei den Zuschlagskriterien


Im Zuge der Beschaffungsgesetzrevision sind die «neuen» Zuschlagskriterien in aller Munde. Das Gesetz gibt zwar schlagwortartig Ideen, die Kriterien können aber – um eine gute und auch begründbare Bewertung vornehmen zu können – nicht einfach aus dem Gesetz abgeschrieben werden.  Wollen Vergabestellen von den allseits kritisierten «Alibi» -Zuschlagskriterien wie «Termine», «Referenzen» etc. wegkommen, braucht es neben Kreativität auch eine gewisse Portion Mut.  Mut etwas auszuprobieren und auch mal die rechtlichen Grenzen zu testen.

Die Möglichkeiten sind gross

Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung lassen den Vergabestellen dabei einen grossen Spielraum. Trotzdem haben viele Vergabestellen bzw. die mit der Ausschreibung befassten Personen Angst, bei der Wahl und Definition der Kriterien und der nachfolgenden Bewertung, etwas falsch zu machen, d.h. eine Beschwerde zu kassieren. Entsprechend verzichten sie oft darauf, den Spielraum auszuschöpfen und behelfen sich mit der Verwendung allgemeiner Standardkriterien. Dies müsste nicht sein:

Gerichtlich geschütztes Ermessen

Denn Gerichtsentscheide, mit welchen Ausschreibungen oder Zuschläge aufgrund falsch gewählter Zuschlagskriterien aufgehoben werden, sind äusserst selten. Wenn Gerichte einen Zuschlag aufheben, dann meist wegen Verfahrensfehler, Intransparenz oder Ungleichbehandlung der Anbieter. Den Vergabestellen steht zu Recht bei der Wahl aber auch der Bewertung der inhaltlichen Zuschlagskriterien ein grosses Ermessen zu.  Dieses Ermessen kann in Zukunft durchaus besser genutzt werden. Oft ist aber auch nicht (nur) die Befürchtung, etwas falsch zu machen, sondern schlichtweg die fehlende Zeit oder Idee der Grund dafür, dass schlussendlich trotzdem die Standardkriterien verwendet werden. Die Schaffung «auftragsspezifischer» Zuschlagskriterien ist zugegebener Massen auch nicht einfach. Denn es bedingt, dass sich die Vergabestelle mit dem konkreten Beschaffungsgegenstand intensiv auseinandersetzt. Nachfolgende Überlegungen können dabei helfen:

In drei Schritten zum auftragsspezifischen Zuschlagskriterium:

  • Als erster Schritt ist folgender Gedanke hilfreich: Nach welchen Kriterien würde ich den Anbieter auswählen, wenn ich selber meinen Wunschanbieter suchen bzw. «erschaffen» könnte? So kann man eine Liste erstellen, welche Aspekte, Fähigkeiten und Schwerpunkte man als Vergabestelle für die Auftragserfüllung wichtig erachtet. Frage: «Auf welche Kriterien würde man acht geben, wenn man selber im Markt nach freier Wahl einkaufen könnte. »
  • In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, wie man diese notierten Kriterien und Aspekte im Ausschreibungsverfahren prüfen kann. Diesbezüglich ist zu beachten, dass das Gesetz den Nachweis nicht auf Papierunterlagen beschränkt. Zulässig und oft sachdienlich(er) sind auch Produktetest, Demos, aber auch Präsentationen und Interviews. Solche Instrumente sind durchaus erlaubt, sofern – und das ist wichtig – deren Inhalt (und nicht nur die Form) bewertet wird und ein sachlicher Zusammenhang zum geprüften Aspekt besteht.
  • Und damit ist man beim dritten Schritt. Die kreativsten Kriterien nützten nichts, wenn nicht bereits vorgängig abgeklärt und definiert und in der Ausschreibung auch bekannt gegeben wird, was von den Anbietern in den betreffenden Kriterien verlangt wird. Ebenso ist anzugeben, welche Unter-Kriterien und Parameter bewertet werden. Dies sorgt nicht nur für Transparenz, sondern ist ein Kontrollinstrument für die Vergabestelle, um zu prüfen, ob mit den verlangten Nachweisen effektiv die unter Schritt 1 definierten Anforderungen geprüft werden können. Zudem erleichtert es dann auch die Bewertung, wenn bereits definiert ist, welche Aspekte etwa bei einer Auftragsanalyse bewertet werden.

Apropos Kontrolle: Hilfreich ist, bereits bei der Erstellung der Ausschreibung eine Bewertungsmatrix zu machen und die Bewertung mal durchzuspielen. So entdeckt man Fehler oder Wiedersprüche in den Kriterien. Ebenfalls sollten die Ausschreibung und die Bewertungskriterien aus der «fiktiven» Sicht des Anbieters überprüft werden: Ist für einen Anbieter klar was gefordert wird? wie würde man selber offerieren? usw…

Diese Schritte können helfen, kreative und spezifische Zuschlagskriterien zu definieren. Oft beschreitet eine Vergabestelle dabei Neuland. Dabei werden sich nicht alle neuen Ideen und Kriterien rückblickend als tauglich erweisen. Doch wenn man dem Ziel, das vorteilhafteste Angebot effektiv ermitteln zu können, näherkommen will, wird es unumgänglich sein, dabei neue Wege zu gehen und die fachlichen wie rechtlichen Grenzen auch mal auszuloten. Ansonsten sich bei den neuen Zuschlagskriterien auch keine verlässliche Rechtsprechung herausbilden kann. Dass es dabei auch mal zu Fehler kommen kann, ist Teil dieses Weges und zu akzeptieren.

Frei nach dem Motto, wer nichts wagt, der nichts gewinnt.


lic.iur. Christoph Schärli,  Partner | Rechtsanwalt, Viadukt Recht GmbH

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